Titel
„Für mich bedeutet Führung, die Zukunft mitgestalten zu können.“Dr. Sarah Schniewindt ist geschäftsführende Gesellschafterin der Schniewindt GmbH & Co. KG in Neuenrade
Teaser

Die Schniewindt GmbH & Co. KG ist ein alteingesessenes Familienunternehmen und wird in der 6. Generation erstmals von einer Frau geführt.

Praxisbeispiel

 

Ausgangspunkt

In Familienunternehmen steht häufig früh fest, wer die Nachfolge übernimmt. Auch Sarah Schniewindt wusste, dass sie die einzig mögliche Nachfolgerin ihres Vaters sein würde - auch wenn das zunächst nicht ganz oben auf ihrer persönlichen Wunschliste stand. Nach dem Abitur folgt daher zunächst ein Auslandaufenthalt über mehrere Monate und eine Art Studium Generale im Leibniz Kolleg in Tübingen. Nach dem Abschluss entscheidet sie sich schließlich an der Freien Uni Berlin zu studieren mit dem Studienschwerpunkt Volkswirtschaft, ein Fach, das sie mit „ganz großer Liebe und Leidenschaft“ bis hin zur Promotion betreibt.

Hintergrund

 

Werdegang

Um ihren Vater zu unterstützen, steigt Schniewindt 2003 ins Unternehmen ein. Der Übergang von der wissenschaftlichen Welt zum Tagesgeschäft stellt eine große Herausforderung dar: „Ich habe angefangen, das Controlling und eine strategische Unternehmensplanung aufzubauen. Hierfür war es hilfreich, von der theoretischen Seite zu kommen. Aber je mehr ich dann ins operative Geschäft eingebunden war, musste ich umdenken, weg von der wissenschaftlichen Tätigkeit und hin zum Operativen, wo jeden Tag entschieden werden muss.“ Nach dem Tod ihres Vaters wird Sarah Schniewindt 2007 zur Geschäftsführerin berufen.

Wirkung

 

Anspruch an die eigene Führung

Als Geschäftsführerin übernimmt Sarah Schniewindt ein traditionell und patriarchal geführtes Unternehmen. Sie weiß, dass sie einen eigenen Führungsstil entwickeln muss: „Das war klar, dass ich die patriarchale Rolle nicht ausfüllen kann, schon wegen des Geschlechts.“

Die Übergangszeit zwischen dem Einstieg ins Unternehmen bis zur Übernahme der Geschäftsführung erweist sich als Vorteil. Einerseits ist das Unternehmen eingespielt, Entscheidungen, wie sie bei einer Neugründung gefordert sind, spielen keine Rolle. Andererseits haben die Belegschaft und die – zu diesem Zeitpunkt ausschließlich männlichen - Führungskräfte die Möglichkeit, sich an die Frau an der Spitze zu gewöhnen.

Sarah Schniewindt ist keine Einzelkämpferin: „Ich möchte gar nicht alles allein machen, sondern ich möchte ein starkes Team an meiner Seite haben.“ Bei Entscheidungen zieht sie die anderen Führungskräfte hinzu – bei bestimmten Fragestellungen nimmt sie aber auch die anderen Ebenen mit. Nicht immer läuft die Entscheidungsfindung dann so, wie sie es sich vorgestellt hat, wichtig ist ihr aber, dass die Beschäftigten Unternehmensentscheidungen mittragen: „Wenn es dann nachher trägt und alle voranbringt, werden wir auch mit Sicherheit die höhere Produktivität haben.“ Gerade vor den Herausforderungen von Industrie 4.0 und der Digitalisierung sei es notwendig, Hierarchiestrukturen und Entscheidungsprozesse anders zu gestalten: „Da müssen wir viel mehr auf die Teamebene gehen und viel schneller werden. Und das werden Sie nur, indem Sie mehr Verantwortung auf die Mitarbeiter übertragen, um Entscheidungen schneller umsetzen zu können.“

Schniewindt ist davon überzeugt, dass Gesellschaft und Unternehmen in Zukunft auf die aktive Mitwirkung von Frauen angewiesen sind. In ihrem eigenen Unternehmen etabliert sie daher schnell eine zweite Frau als Führungskraft. Die Diskussion über einen möglichen Arbeitsausfall bei Müttern hält sie für falsch, schließlich könnten auch andere Mitarbeiter plötzlich schwer erkranken und lange ausfallen: „Dann müssen Sie das auch kompensieren.“ Es könne daher nicht um Frauenförderung gehen, sondern immer um Familienförderung, die Kinderbetreuung müsse dringend ausgebaut werden.

Ausblick

 

Unterstützung

Sarah Schniewindt ist in zahlreichen Verbänden aktiv, reine Frauennetzwerke nutzt sie nicht, klassische Netzwerke seien häufig immer noch sehr männerdominiert. Der Stellenwert von Netzwerken steht für sie aber außer Frage, weil sie einem die Möglichkeit zum Austausch und zur Selbstreflexion gäben: „Für Austausch ist wichtig zu wissen: Wo stehe ich? Ist das gut, wie ich das mache oder gibt es andere Wege?“

Als besonders wichtig erachtet sie die Unterstützung durch den Partner. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie ihren privaten Alltag um ihre 60-70 Stunden Woche herum organisiert und sich Unterstützung für Haushalt und Kinder ins Haus geholt.  Das schlechte Gewissen bleibt aber, sagt sie. Gerade diese Rabenmutter-Diskussion sei kontraproduktiv für Frauen, die in Führung wollen: „Das ist offensichtlich ein deutsches Phänomen. Das erleben Sie in Schweden nicht, nicht in Dänemark, nicht in Frankreich. Dort, wo ich Kontakte habe, ist es total selbstverständlich, dass eine Frau mit Kindern arbeitet. Das haben wir in Deutschland nach wie vor nicht.“   

Stimmen aus dem Unternehmen

 

Hinweise für andere Frauen

Weiblichen Nachwuchsführungskräften rät Schniewindt zu mehr Selbstvertrauen: „Ich würde jeder jungen Frau wünschen, sich einfach mal zu trauen und zu sagen: Ja, ich will die Führungsposition, auch wenn ich jetzt nicht alles zu 120 Prozent hinkriege. Männer sind da vermutlich anders. Sie sagen, ich mache das. Sie wissen auch nicht, ob sie 120 Prozent schaffen. Aber sie trauen sich, den Schritt zu machen.“  Frauen müssten daher lernen, nicht so perfektionistisch zu sein, nicht alles durchplanen zu wollen und auch mal Dingen ihren Lauf zu lassen.

Frauen dürfen sich nicht weiter ausschließen, weil sie zu viel Respekt vor der Verantwortung haben und fürchten, den Spagat zwischen Beruf und Familie nicht zu schaffen: „Sie nehmen sich damit die Möglichkeit, selbst zu gestalten. Eine Führungsposition bietet neben der Verantwortung doch auch ganz viele Chancen. Es ist doch toll, die Zukunft mitgestalten zu können.“

Firma
Schniewindt GmbH & Co. KG
Branche
Industrie
Produkte
Beheizungs-, Widerstands- und Energieübertragungstechnik
Standort
Neuenrade
Gründungsjahr
1829
Beschäftigtenzahl
150-199
Frauenanteil
ca. 22%
Unternehmen

Schniewindt wurde 1829 in Westfalen gegründet und ist ein leistungsorientiertes, unabhängiges Familienunternehmen.

Seit der Erfindung des “Schniewindt Gitters” 1902 produzieren sie elektrische Hochspannungswiderstände und zählen damit zu den ersten Anbietern elektrischer Geräte für die Energieverteilung.

Ansprechperson

Schniewindt GmbH & Co. KG
Dr. Sarah Schniewindt
Schöntaler Weg 46
58809 Neuenrade
Telefon: +49 2392 692-0
Telefax: +49 2392 692-11
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