Titel
Im Pflegefall über die eigene Arbeitszeit bestimmenIG Metall Bildungszentrum in Sprockhövel plant Elemente einer lebensphasenorientierten Arbeitszeit
Teaser

Für eine Gewerkschaft liegt es naturgemäß nahe, gute Lösungen für die Beschäftigten zu finden. Das IG Metall Bildungszentrum in Sprockhövel fand die gesetzliche Regelung für pflegende Angehörige in der Praxis zu kompliziert und hat hier mit kleinen flexiblen Arbeitszeitkonten pragmatisch nachgebessert.

Praxisbeispiel

Flexibles Zeitkonto für kurzfristige Pflegeaufgaben

Bis zu zehn Arbeitstage, so das aktuelle Pflegezeitgesetz (PflegeZG), dürfen Arbeitnehmer/-innen in einer akuten Pflegesituation dem Arbeitsplatz fernbleiben, um die pflegerische Versorgung der nahen Angehörigen sicherzustellen oder die Pflege zu organisieren. Eine solche Situation liegt zum Beispiel beim plötzlichen Eintritt eines Pflegebedarfs vor, oder auch wenn pflegebedürftige Angehörige kurzfristig aus dem Krankenhaus entlassen werden und eine sachgerechte Anschlussversorgung sichergestellt werden muss. Dabei handelt es sich in der Regel um eine komplette Auszeit von der Arbeit. Das Recht kann nur einmal pro pflegebedürftigem Angehörigen in Anspruch genommen werden. Für diese 10 Tage kann bei der Pflegeversicherung des Angehörigen Pflegeunterstützungsgeld beantragt werden. Ein anerkannter Pflegegrad muss vorliegen.

Hier geht das IG Metall Bildungszentrum einen Schritt weiter. Neben den gesetzlichen Möglichkeiten können die Beschäftigten bei einer akuten Pflegesituation ein kleines Zeitkonto im Umfang einer Woche nutzen. Das reguläre Gehalt wird weitergezahlt, eine Deckelung wie im Gesetz verankert, findet nicht statt. Von diesem betrieblichen Pflegezeitkonto können die Beschäftigten nach Bedarf auch einzelne Stunden entnehmen; unkompliziert und kurzfristig, vertrauensvoll und ohne großen Verwaltungsaufwand: Antragsformulare, ärztliche Atteste oder Nachweise über die Pflegebedürftigkeit sind nicht erforderlich. Die Nutzung des Zeitkontos wird von dem/der Beschäftigten in einer einfachen Excel-Tabelle dokumentiert und der Gehaltsbuchhaltung am jeweiligen Monatsende zwecks Abrechnung zur Verfügung gestellt.

Hintergrund

Für die Beschäftigten der IG Metall gilt bereits seit 01.01.2010 eine Betriebsvereinbarung zum Thema „Vereinbarkeit von Familie & Beruf“. Als in den Jahren 2013 und 2014 mehrere Beschäftigte persönlich betroffen waren und das Bildungszentrum auf diese Regelungen zurückgriff, zeigte sich schnell, dass man hier an gewisse Grenzen stieß. Aufgrund der Altersstruktur der Belegschaft handelte es sich seinerzeit mehrheitlich um die Pflege von Elternteilen. Gleichzeitig stand und steht beim IG Metall Bildungszentrum Sprockhövel noch immer das Thema „Generationswechsel“ in der Belegschaft an. Bis 2020 wird etwa ein Drittel der Beschäftigten altersbedingt ausscheiden.

Fritz Janitz, Leiter des Bildungszentrums: „In dieser Umbruchsituation hat uns das Kompetenzzentrum Frau & Beruf der agentur mark auf die Kampagne arbeiten, pflegen, leben im Ennepe-Ruhr-Kreis hingewiesen. Die Beteiligung an der Kampagne des Netzwerks W(iedereinstieg) bot uns die Gelegenheit, das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege stärker in den Fokus der betrieblichen Öffentlichkeit zu rücken. Durch die entsprechende Vernetzung und den Erfahrungsaustausch mit den anderen Unternehmen, die an der Kampagne teilnehmen, haben wir Anregungen und Ideen für die Weiterentwicklung unserer Vereinbarkeitsmaßnahmen gewinnen können. Das flexible Pflegezeitkonto ist ein Ergebnis dieser Aktivitäten.“

Wirkung

Dass sich die Leitung des IG Metall Bildungszentrums in der Form um die Nöte der Beschäftigten kümmert, erfährt eine hohe Wertschätzung in der Belegschaft und hat positive Auswirkungen auf das Betriebsklima. Das Angebot, das auch vom Betriebsrat aktiv unterstützt wird, leistet Hilfe im konkreten Einzelfall. Trotz anfänglicher Bedenken ist ein äußerst verantwortungsbewusster Umgang mit dem Zeitkonto festzustellen. Eine hohe Akzeptanz entstand durch die Enttabuisierung des Themas Pflege, indem es bei Betriebsversammlungen und wiederholt in Besprechungen mit den Führungskräften, durch Aushänge am schwarzen Brett und die Einrichtung der Funktion einer betrieblichen Pflegelotsin immer wieder im Fokus stand.

Ausblick

Insgesamt plant man im IG Metall Bildungszentrum, das Thema Beruf & Pflege stärker in den Kontext lebensphasenorientierter Personalarbeit zu stellen. Generelles Ziel ist es, die verschiedenen Angebote in einem ganzheitlichen Konzept zusammenzufassen. Bereits jetzt gibt es neben den Unterstützungsangeboten im Pflegefall auch entsprechende Arbeitszeitangebote für junge Eltern. Aufgrund der Altersstruktur der Belegschaft wird jedoch das Thema Beruf & Pflege in näherer Zukunft besonders im Fokus stehen.

Firma
IG Metall Bildungszentrum Sprockhövel
Branche
Dienstleistung
Produkte
Weiterbildung für interessierte Arbeitnehmer/-innen
Standort
Sprockhövel
Gründungsjahr
1971
Beschäftigtenzahl
50-99
Frauenanteil
60%
Unternehmen

Das IG Metall Bildungszentrum in Sprockhövel ist ein Bildungs- und Konferenzzentrum der IG Metall, größte Einzelgewerkschaft der BRD.  Es werden verschiedene Veranstaltungen zum gemeinsamen Lernen, des Kennenlernens und des Meinungsaustausches angeboten.

Ansprechperson

IG Metall Bildungszentrum Sprockhövel
Fritz Janitz, Schulleiter
Otto-Brenner-Straße 100
45549 Sprockhövel
Tel. 0 23 24 / 706 730
sprockhoevel@igmetall.de
www.igmetall-sprockhövel.de

Kooperation mit

Kampagne arbeiten, pflegen, leben
Ansprechperson: Christa Beermann
Hauptstraße 92
58332 Schwelm
Tel. 0 23 36 / 93 22 23
C.Beermann@en-kreis.de
www.arbeiten-pflegen-leben.de

Bilder